Euro 2008 aktuell: Spanien steht Kopf, Trauer in Deutschland

Mit einem historischen Sieg für Spanien ist am Sonntagabend in Wien die Fußball-Europameisterschaft 2008, die größte Sportveranstaltung in der Geschichte Österreichs, zu Ende gegangen. Die Iberer setzten sich im Ernst-Happel-Stadion mit 1:0 gegen Deutschland durch und errangen damit ihren zweiten großen internationalen Titel nach dem EM-Sieg 1964. Während in Spanien bis tief in die Nacht überschwänglich gefeiert wurde und sich auch viele Österreicher der "Fiesta" anschlossen, leckten die deutschen Fans ihre Wunden.

Zehntausende jubelten auf Spaniens Straßen
In ganz Spanien feierten zehntausende Menschen den Europameistertitel ihrer Mannschaft mit Autokorsos und Feuerwerken. In der Hauptstadt Madrid war der Straßenverkehr um 2.30 Uhr immer noch völlig lahmgelegt, da tausende Fußballfans jubelnd durch die Stadt marschierten. Nahe des Thyssen-Museums musste die Polizei drei Warnschüsse in die Luft abgeben, um Unruhestifter in Schach zu halten. Nach einem Bericht der Nachrichtenagentur EFE wurden 25 Menschen verletzt in Spitäler eingeliefert, eine Person war mit Kopfverletzungen in kritischem Zustand.

Am Abend hatten Feuerwehrleute bereits Wasser auf dem Colon-Platz im Zentrum Madrids versprühen müssen, um die erhitzten Fans bei Temperaturen von fast 30 Grad abzukühlen. Auch in Barcelona gingen tausende Menschen auf die Straßen, um den EM-Titel Spaniens zu feiern. Dort wollte die von katalanischen Nationalisten dominierte Stadtverwaltung keine Fanzone mit Großbildleinwänden einrichten.

"Wir sind die besten. Jetzt sind wir bereit, auch den Weltmeistertitel zu gewinnen", sagte der 48-jährige Joaquin aus Salamanca der Nachrichtenagentur AFP. Auch die Pressekommentare fielen überschwänglich aus. "Spanien erobert Europa", titelten die größten Tageszeitungen des Landes, "El Pais" und "El Mundo", in seltener Einigkeit. "Könige von Europa", war in großen Lettern in der Internetausgabe der Sportzeitung "Marca" zu lesen.

"Danke, dass ihr bei uns wart – ich hoffe, ihr betrinkt euch heute Nacht alle", rief Mittelfeldspieler Cesc Fabregas in die Fernsehkameras. Trainer Luis Aragones sagte: "Wir haben auf brillante Weise gewonnen, und wir sind alle glücklich." Torschütze Fernando Torres sagte, das Ergebnis sei auch für den Fußball gut, weil die beste Mannschaft gewonnen habe.

Sogar der König war glücklich
König Juan Carlos bezeichnete den Europameistertitel für Spanien als schönstes Ereignis der vergangenen Jahre. "Es war an der Zeit", sagte er in Anspielung auf den 44 Jahre zurückliegenden EM-Titel. "Wir haben gelitten, aber es war der Mühe wert." "Der König war noch gerührter als wir", schilderte Kapitän Iker Casillas dem spanischen Radiosender Cadena Ser die Begegnung mit Juan Carlos. Der EM-Titel sei nämlich besonders wichtig, "weil das Land derzeit schwierige Augenblicke erlebt, durch die zahlreichen Dummheiten, die es gegeben hat", meinte der Torhüter in Anspielung auf die sich verschärfenden Nationalitätenkonflikte im Land.

Trauer in Deutschland
In Deutschland herrschte nach der knappen Niederlage gegen die Iberer dagegen Katzenjammer. Nachdem sich am Abend hunderttausende Menschen in den Fanzonen versammelt hatten – allein in Berlin eine halbe Million -, gingen viele von ihnen bereits in den Schlussminuten heim. Zwischenfälle gab es nur in Magdeburg, wo 100 Randalierer durch die Innenstadt zogen, Müllcontainer anzündeten und Polizisten bewarfen und in München, wo enttäuschte Fans den Rasen beim Public Viewing stürmten. Der deutsche Präsident Horst Köhler versuchte die Fans zu trösten und bezeichnete als "großen Erfolg", dass Deutschland das Endspiel erreicht hatte. Als fairer Verlierer erwies sich der deutsche Kapitän Michael Ballack. "Sie haben nicht unverdient gewonnen", sagte er.

Fiesta in Wien
Die Wiener Fanzone wurde bereits um 1.00 Uhr geschlossen, obwohl die Sperrstunde zunächst bis um 2.00 Uhr verlängert worden war. Die von vielen deutschen Fans bevölkerte Fanmeile hatte sich zusehends geleert, weswegen früher mit den Abbauarbeiten begonnen werden konnte. Insgesamt hielten sich am Sonntag 126.091 Fans auf dem Areal auf, die Gesamtbesucherzahl während der EM erreichte 1,145.476. In Innsbruck waren 23.000 Menschen zum letzten Mal in die Fanzone gekommen, in Salzburg feierten 15.000 Fans und in Kärnten 20.000. Überall fiel auf, dass viele spanische Fans einen österreichischen Zungenschlag hatten. Man feierte den spanischen Sieg offenbar als Ersatz für das ausgebliebene "Cordoba" der österreichischen Nationalmannschaft in der Vorrunde gegen Deutschland.

"Das ist einer der schönsten Tage meines Lebens", strahlte ein überglücklicher Spanier in der Wiener Fanzone. "Es ist einfach traumhaft, wir haben so lange auf diesen Sieg gewartet". Vielen deutschen Anhängern war die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben: "Ich will heim", jammerte ein Mann. "An Feiern ist jetzt nicht mehr zu denken", stimmte sein Begleiter zu. Zehn deutsche Fans wurden in Wien-Josefstadt nach Sachbeschädigungen festgenommen. Doch es gab auch berührende Szenen: Zwei Espana-Anhänger gingen auf einen sichtlich enttäuschten deutschen Fan zu, hielten ihm die ausgestreckte Hand hin und als dieser einschlug, umarmte man sich.

Quelle: Österreich